1. August 2022

Frau Tschurtschenthaler und der Fußball

Lesedauer 3 Minuten

Ich bin der Ernährer in unserer Familie. Will heißen – ich bin derjenige der Frühstück macht während die restliche Brut noch versucht sich an ihren Vornamen zu erinnern und die Dusche zu finden.

Mir gibt das morgens eine halbe Stunde um im Tag anzukommen und gleichzeitig durch die Nachrichten des Vortages zu hören. (Die Tagesthemen kann man übrigens prima als audio-only hören, die Bilder braucht es so gut wie nie)

Zu den Tagesthemen gehört auch meist ein Kommentar, diesmal eingesprochen von Katharina von Tschurtschenthaler und es ging um das Fußball-Finalspiel der Frauen EM in Wembley. (als jemand der täglich mit Amerikanern zu tun hat frage ich mich ja wie die diesen Namen aussprächen…)

Zunächst stellt Frau von Tschurtschenthaler fest, dass Fußballerinnen deswegen weniger verdienen weil Fußball ja nun mal ein Business sei und Frauen weniger Leute ins Stadion brächten und ihre Spiele weniger Werbeeinnahmen erzielten. Außerdem sähe auch lieber Männerfußball, denn der sei „athletischer, dynamischer“.

Seufz.

Was die Business-Seite angeht nervt mich an so einer Argumentation die ganz offensichtliche Ignoranz für das große Ganze. Klar bringen Frauenspiele derzeit weniger Geld ein, aber woran noch mal liegt das eigentlich?

Ich bin kein Fußballfan. Als es in Deutschland zum sogenannten „Sommermärchen“ kam war ich dankbar und froh von einem dreimonatigen Auslandsaufenthalt aus der Zone der deutschlandbeflaggten Autokorsos entfernt worden zu sein. Fußball ist mir auf geradezu epischer Breite egal. Trotzdem bekomme ich ständig im Fernsehen die Ergebnisse der Bundesliga, des Europacups, der FIFA, der EM und der WM erzählt und zwar nahezu exklusiv der jeweils männlichen Varianten. Wenn die Frauen mal spielen bekam ich das nur in Ausnahmefällen überhaupt mit und dann auch immer NACHDEM sie irgendwo im Finale gestanden waren. Was, liebe Frau von Tschurtschenthaler, macht dieser Unterschied in der öffentlichen Kommunikation wohl mit Ticketverkäufen und Werbeeinnahmen? Verwechseln sie da nicht Ursache und Wirkung?

„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“ (Luhmann)

Wer also einen Kommentar in den Medien darüber einspricht, dass Frauenfußball nun mal weniger einbrächte als Männerfußball vergisst die eigene Verantwortung und Möglichkeit daran fundamental etwas zu ändern.

Diesmal erfuhr ich übrigens von der stattfindenden EM dadurch, dass plötzlich in den Nachrichten 2 Minuten dem Frauenfußball gewidmet worden waren als die sich für die EM qualifiziert hatten. Das war ein echtes Novum und sorgte sogar dafür, dass wir uns das Halbfinalspiel ansahen und auch das Finale verfolgten. Den Eindruck verstärkte noch, dass plötzlich auf all meinen Social Media Kanälen Bekannte von den Spielen der Frauenmannschaft berichteten… Es funktioniert also.

Medienberichte => Interesse => Leute schauen sich das an, haben Spaß => Social Media Hype => Medienberichte… Frau von Tschurtschenthaler, fällt ihnen was auf?

Aber was ist dann mit der Dynamik, der Athletik? Schauen wir vielleicht deswegen weniger Frauensport weil der weniger unterhaltsam ist? Diesen angeblichen Unterschied an Dynamik und Athletik halte ich für – Entschuldigung! – himmelschreienden Schwachsinn. Gebt Frauen dieselbe Möglichkeit sich auszutrainieren, zahlt sie genauso wie die Männer, so dass sich ein Pool an Profis bilden kann und die Dynamik/Athletik im Spiel wird dieselbe sein. Diese EM hat anschaulich demonstriert, dass das sogar mit ungleich schwierigeren Startbedingungen schon so ist und auch wenn ich nicht viel von Fußball verstehe bin ich mir doch sicher, dass ohnehin nicht der Oberschenkeldurchmesser über den Spaß am Spiel entscheidet sondern Spieltaktik, Agilität und Risikobereitschaft – alles Eigenschaften die sich bei allen Geschlechtern finden lassen. Das ist keine EM im Gewichtheben, wir sprechen von einem taktischen Spiel bei dem es auf Schnelligkeit im Kopf und den Füßen ankommt.

Was das Gehalt angeht – Wie wäre es wenn wir das Argument „Männer bringen dem Business halt mehr Geld“ als das kommunizieren was es ist: Eine peinliche und inzwischen aus der Zeit gefallene Ausrede. Niemand hindert Vereine daran Gehälter einfach basierend auf ihrem Gesamtgewinn gleichmäßig auf ihre Mannschaften auszuschütten und wir könnten uns als Gesellschaft durchaus in der Pflicht sehen Fußball einfach des Fußballs wegen zu sehen statt den Unterschied an primären Geschlechtsorganen der Spielenden festzumachen.

Ich für meinen Teil habe jedenfalls dieses Jahr schon mehr Frauenfußball gesehen als Männerfußball und mich darüber gefreut, dass hier Bewegung in der öffentlichen Wahrnehmung zu sein scheint.

#Frauenfußball

4 Responses

  1. stefanierend sagt:

    @Dirk Ist dir Tennis auch so egal? Wembley, der Herr, Wembley. Nicht Wimbledon. 😊@dirkprimbs

  2. @Dirk Frauenfußball wird vom DFB organisiert, und der ist nicht in der Lage das so professionell zu managen wie das die DFL für die Männer macht.

  3. lunatigs sagt:

    @DirkWas ich einfach nicht verstehen kann ist, warum Leute wie Frau Tschurtschenthaler den #Frauenfussball immer in einer Bringschuld sehen. #Frauen war es 15 Jahre lang verboten, professionell #Fussball zu spielen und selbst danach gab es lange Zeit keine nennenswerte Förderung. Eigentlich wäre es längst an der Zeit, dass der #Männerfussball konsequent Werbung für die Kolleginnen macht, bis die Missstände zufriedenstellend ausgeglichen sind.

  4. Oli sagt:

    Ich, ebenfalls Frühstücksdirektor und Fußball-Bundesliega-UEFA-Championsblablabla-uninteressierter habe die EM im Fußball der Frauen leider aktiv auch nur in den letzten beiden Spielen wahrgenommen. Ich sag eine hochmotiviert Mannschaft mit viel Spielwitz und Leidenschaft die weit über ihre sportliche Grenzen hinweg gekämpft haben und sich so wundervoll emotional über ihren Erfolg freuen konnten.
    Dagegen ist jede EM/WM der Fußballspielenden Herren eine langweiliges Kreisliga-Spiel.

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