26. Oktober 2022

Über Leica reden

Lesedauer 6 Minuten

Man kann vieles über die Kameramarke Leica sagen, aber eines gilt besonders: es lässt sich hervorragend über die Geräte, das Marketing und vor allem die Preispolitik streiten.

In jedem Fall aber gilt: Kein anderes System schafft es so vorhersehbar die Gemüter zu erhitzen.

Lasst mich also heute einfach mal Öl ins Feuer gießen. Hier kommt meine unsortierte Liste …

… Unsinniges Zeugs das Leica-fans und -hasser von sich geben

#1 Es gibt einen „Leica Look“

Zu behaupten es gäbe einen Leica Look ist wie zu erklären man könne einem Text ansehen mit welcher Textverarbeitung er produziert wurde. Trotzdem taucht diese Behauptung immer wieder auf.

Gefragt was dieser ominöse „Leica Look“ eigentlich genau sein soll, antworten vielle schwammig mit „hat das gewisse Etwas“. Das gilt dann anscheinend ganz unabhängig von der eingesetzten Technik denn dieser ominöse Leica Look wird schon diskutiert seit es die Marke gibt und transzendiert durch verschiedenste Optiken, Kameras und Bildgenres.

Manchmal wird der „Leica Look“ auch einfach zu dem was man sieht, wenn eine Aufnahme offenblendig mit hohen Kontrasten gemacht wurde. Eventuell fällt den Leuten aber auch nur auf, dass eine über 1000€ teure Festbrennweite mehr Schärfe und Kontrast hat als die 08/15 Zoom-Glasscherbe die sie bisher nutzten… (schockierend, ich weiß.)

Ich würde den Leica Look genau deswegen auch anders nennen, nämlich den „Das was man bekommt wenn man über tausend Euro in ein Objektiv investiert“-Look.

#2 Leica Kameras sind eine gute Geldanlage

Diese Behauptung ist ein Evergreen. Sie basiert auf der zweifelsohne korrekten Feststellung, dass Leica recht hohe Preise aufruft und es diverse Sondermodelle gibt die auch tatsächlich als Sammerstücke gedacht sind und entsprechend vermarktet werden.

Aber: Sofern Eure Leica nicht sehr alt (z.B. die ersten Modelle) oder sehr limitiert (z.B. die goldene M10-P) ist, gilt das was für alle anderen Hersteller auch gilt: Sobald ihr den Karton aus dem Geschäft getragen und das gute Stück ausgepackt habt, hat sie nur noch 75% ihres Kaufwerts. Und nein, der Preis geht in der Regel nicht hoch sondern runter. Sicher, im Vergleich zu anderen Marken bleibt er ungewöhnlich lange verhältnismäßig hoch, aber trotzdem fällt der mit Alter und Zustand der Geräte. Außerdem ist verhältnismäßig hoch nicht das was ich mir unter einer Geldanlage vorstelle.

Diese grundsätzliche Wertstabilität kommt ansonsten auch nicht von ungefähr: Leica repariert auch zum Teil sehr alte Geräte immer noch und seit Jahrzehnten beweisen die mechanischen Leicas, dass die Technik auch im Alter noch zu hervorragenden Ergebnissen fähig ist. Will heißen: Leica Geräte haben den Ruf ungewöhnlich langlebig und hochwertig zu sein und sind unter anderem deswegen verhältnismäßig wertstabil.

„Ja, aber die M6!“, höre ich da irgendwen rufen, „Die wird doch immer teurer!“

Stimmt schon, die ist wirklich erstaunlich teuer. Bei Fachhändlern in gutem Zustand gibt es die gebraucht für etwa 2800€. Trotzdem hättet ihr draufgezahlt wenn ihr das Gerät neu gekauft und in die Vitrine gelegt hättet. Im Jahr 2002 kostete die ca. 2600€. Preisstabil – ohne Frage. Geldanlage? Ne.

Wolltet ihr auch nur den Anschaffungswert wiederbekommen müsste die nämlich eigentlich noch viel teurer werden…

#3 Kameras von [Lieblingsmarke hier einsetzen] sind genauso gut für einen Bruchteil des Preises

Diese Behauptung wird in der Regel aufgestellt ohne anzugeben welche Kamera von Leica denn genau verglichen wird und was man mit „gut“ eigentlich meint.

Das Problem mit Leica ist nun, dass sie einige Kameras verkaufen für die es schlicht kein vergleichbares Gegenstück gibt. Beispielsweise ist die Leica M Reihe ziemlich einzigartig. Es ist die einzige moderne Messsucherkamera am Markt und kombiniert damit beste Feinmechanik mit aktueller Kameratechnik in einem beeindruckend kleinen Formfaktor.

Diese Kamera hat folgerichtig (weil ja Messsucher!) auch keinen Autofokus, denn die ganze Idee ist ja feinmechanisch zu fokussieren und dafür Optiken zu konstruieren, die konkurrenzlos klein und lichtstark sein können.

Diese Kameras sind ideal für ganz bestimmte Szenarien und wer so eine Kamera haben will, weiß das System auch zu schätzen. Allerdings lässt sich dieses System dann nur schwer mit – sagen wir mal – einer Fuji X100V vergleichen. Klar sind beide kompakte Kameras, klar machen beide Fotos, aber der Unterschied ist trotzdem dramatisch.

Die Liste solcher Kameras bei denen es eigentlich keine Entsprechung gibt ist länger als man glaubt, so gibt es bei Leica etwa Kameras die auf Monochromfotografie optimiert sind oder solche, die zwar digital sind aber keinen Bildschirm haben.

Nun gut, lassen wir aber einfach mal die „Sonderlocken“ beiseite. Messsucher, Monochrom, displaylos ist ja vielleicht sowieso schon eine gedankliche Zumutung für unsere angenommenen Diskutanten.

Betrachten wir stattdessen eine Kamera die man vielleicht ein klein wenig besser vergleichen kann: Die Leica Q2. Das ist eine Vollformatkamera mit einem stabilisierten, festverbauten 28mm Objektiv mit Offenblende 1.7. Der Sensor hat 48 Megapixel und ganz allgemein ist die Kamera eine flotte, handliche Begleiterin für ca. 5000€

Natürlich ist das viel Geld.

Aber es ist nicht deutlich mehr Geld als Geräte in ähnlicher technischer Liga von anderen Herstellern verlangen.

48Megapixel, Vollformat, 28/1.7, Festbrennweite, wetterfest – Bei Canon kostet schon der Body 4500€ und ein derart lichtstarkes 28mm Objektiv haben die gar nicht. Das nächstbeste wäre ein 35/1.8, aber meinetwegen. Und dann schauen wir uns doch die beiden Kameras einmal nebeneinander an:

Ich sag mal so: Spätestens bei der Größe und der Feststellung, dass die Q2 von einem Deutschen Hersteller kommt, sieht der Preis vielleicht immer noch hoch, aber trotzdem ein wenig fairer aus…

Nun aber zum Elefant im Raum: Was wenn mit „gut“ einfach die Bildqualität gemeint ist?

Das ist tatsächlich der Gedanke den sich Fans wie Hater wirklich zu Herzen nehmen sollten: Die großen Meister hatten weit schlechtere Kameras als selbst die billigsten Systeme die man heute kaufen kann. Trotzdem waren deren Fotografien herausragend. Will heißen: Man braucht keine hochgezüchtete, kompakte, Vollformatkamera mit 1.7 Offenblende um gute Fotografie zu machen! Ja, man kann sich eine [Kameramarke hier einsetzen] kaufen und damit fantastische Ergenisse erzielen.

Das ist aber eine andere Diskussion als die oft geführte.

Es ist eine Diskussion darum was man sich an Technik leisten kann/will und warum, keine darum ob ein Kamerahersteller besser/schlechter ist als der andere. Letztlich kochen die alle nur mit Wasser und bei wirklich vergleichbaren Systemen sind auch die Preise meist näher beieinander als viele meinen.

Dass die Leicas dann meist um mindestens 20% teurer sind, hat auch oft mit deren Produktionsbedingungen zu tun und oder eben auch mit bestimmten Alleinstellungsmerkmalen (bei der Q2 etwa der Größe). Hinzu kommt, dass manche Reihen ganz unzweifelhaft Nischengeräte sind und daher in weit geringeren Stückzahlen produziert werden.

Bei den Leica SL Kameras gibt es zu allem vorhergesagten noch einen kleinen Zusatz: Wer die Technik haben will, aber eventuell auf die Menüführung und Ergonomie einer Leica weniger Wert legt, kann hier die Geräte von Panasonic genauer unter die Lupe nehmen. Die beiden Firmen haben wohl vieles ihrer Lumix S und Leica SL Kameras gemeinsam entwickelt wobei die Panasonic Geräte im Vergleich deutlich unter dem Leica Preis bleiben. Hier schlägt auf beiden Seiten das Marketing zu, bewusstes Einkaufen lohnt sich also. (Die Lumix S1R ist zwar genauso ein Brecher wie die Leica SL2, aber eine großartige Kamera wenn auch nicht so komfortabel bedienbar wie ihr Gegenstück)

#4 Profis können/wollen sich keine Leica Kameras leisten

Leica verkauft im Jahr ca. 100000 Kameras. Ich finde es schwer zu glauben es wären alles nur Sammler und Amateure mit zu viel Geld. Besonders Systeme wie die SL Reihe haben auch wirklich eher Arbeitspferdcharakter als feinmechanische Wunderwerke zu sein. Die Q2 gilt vielen als eine Art ideale Zweitkamera und manche Fotograf:in nutzt eine Leica M als Ausgleich für ihre privaten Arbeiten.

Letztlich gilt für solche Geräte aber dasselbe wie für viele andere Systeme: Es muss individuell passen.

Niemand würde auf die Idee kommen zu behaupten die Mittelformatkameras von Fuji oder gar Hasselbladt-Geräte wären wegen ihrer Preise für Profis unerschwinglich. Wer diese Kameras kauft, weiß auch warum, setzt sie als Arbeitsgerät sowieso ab und spielt diese Investition hoffentlich auch relativ schnell wieder rein.

Wie weiter oben schon einmal gesagt: Gerade aus Profisicht dürfte für Leica außerdem deren Langlebigkeit und Wertbeständigkeit sprechen. Will man nach 3 Jahren eine Fuji verkaufen ist mit weit mehr Verlust zu rechnen als wenn man dasselbe mit einem Leica System macht…

Fazit?

Mich erstaunt an der Streiterei rund um die Marke besonders wie schnell die Leute dabei sind sich gegenseitig Dummheit, Ignoranz oder Ahnungslosigkeit zu unterstellen. Da wird ganz schnell vom Gerät auf Charaktereigenschaften geschlossen und nicht selten wird das unfreundlich. Dabei sollte es doch eigentlich zuallererst um die Fotos und nicht um die Technik gehen. Die wahren Fotografen ordnen die schlicht dem Ziel, dem Schaffensprozess und dem Ergebnis unter und kaufen dann das System, das ihnen dabei hilft und das sie sich leisten können/wollen.

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8 Responses

  1. Leah ⛤ sagt:

    @Dirk schöner Beitrag. Als ich mal eine Leica in der Hand hatte, irgendwas mit Meßsucher, hab ich für mich gemerkt, das passt gar nicht von der Handhabung, da bin ich mit meiner Fuji glücklicher. Klar hat eine reine monochrom Kamera ihren Reiz, aber am Ende ist es das Können der Fotografin, eine Prise Technik und vor allem eine ordentliche Portion Glück oder Arbeit die ein gutes Bild macht und da kann man sich noch so lange streiten die Technik ist meist Nebensache.

  2. Holger sagt:

    @Dirk Besser hätte man es nicht schreiben können. Vielen Dank Dirk !!! Und ja ich liebe meine Olympus E-30 (2009) und die beiden Objektive dazu (2007 und 2005) und ja habe auch eine moderne Olympus und alles passt. Wenn das bei einer Leica so wäre käme ich vielleicht in Versuchung. Aber an die Haptik der Olympus (für mich!) kommt derzeit keine Kamera ran, auch nicht die moderne System-Oly.

  3. @Dirk Du vergleichst aber auch Äpfel mit Birnen. Gibt durchaus einen Unterschied zwischen Kameras mit festverbauten Objektiven (= one trick ponies) und denen mit Wechselobjektiven ;-). Und das mit den Profis ist eine Frage der Sichtweise: sind bei der kleinen Gruppe der Leica-Nutzer viele Profis dabei? Gut möglich. Sind bei der riesigen Gruppe von Profi viele Leica-Nutzer dabei? Nein.

  4. @Dirk Auch die Preisfrage ist eher eine Frage der Betrachtungsweise. Natürlich könnte man sagen, dass man zu dem hohen Preis dann aber auch das Beste in dem Segment bekäme (wobei da nicht wirklich alle Reviewer zustimmen). Man kann es aber auch unter der Prämisse betrachten, was man zu dem Preis im nächst höheren (Format- und damit auch Bildqualitäts-) Segment alles bekäme.

  5. @Dirk Jede:r soll mit dem System fotografieren, womit er/sie glücklich wird. Das Problem resultiert m.E. daraus, dass von vielen Leica-Anhängern das System geradezu mythologisch verklärt / überhöht wird und es gleichzeitig/dadurch als preisgerecht dargestellt wird, was dann bei anderen eine entsprechende Reaktion verursacht. Frage ist nur was Henne und was Ei war. Es erinnert mich aber oft an die Diskussionen um Audiokabel im drei- bis vierstelligen Bereich 😁

  6. @Dirk Danke für die sachliche Analyse. Top. Die Diskussionen hier erinnern mich oft an die "Kämpfe" zwischen den Märklin- und den Fleischmann-Anhängern, früher auf dem Schulhof. 😜 Ich möchte meine Q2 nicht mehr missen. Nach jahrelanger Suche habe ich damit eine Kamera gefunden, die zu 95% meine Anforderungen erfüllt (5% Abzug wg. fehlendem Klappdisplay 🥴). Der "Leica-Look" ist Quatsch. Kann die Bilder von meiner Sony Alpha 99 und der Q2 oft nur aufgrund des Dateinamens unterscheiden.

  7. Frauke_Z sagt:

    @Dirk Du schreibst: "Das nächstbeste wäre ein 35/1.8…" Kleine Ergänzung: Von Canon gibt es eine tolle Festbrennweite 35/1.4 (ist aber tatsächlich auch kein Schnäppchen …)

  8. shashindo sagt:

    @Dirk Zu Leica fallen mir persönlich viele Aspekte ein. ZB auch das Design. Das vernachlässigen andere Hersteller gerne mal. Ich komme halt mit dem MF nicht zurecht. Am Ende ist das eine persönliche Geschichte und ich freue mich für jeden Fotografen, wenn er (endlich) seine Kamera, seinen. Bildlook, sein Sujet – also seinen Weg gefunden hat das ihn ausmacht. P.S.: so eine Q2-M macht mich schon mächtig an… 😳

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