Was den deutschen Fotopodcasts fehlt

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Achtung – es folgt ein Rant und eine Prise tough Love. Ich habe keinen Anspruch darauf, dass irgendwer hier meine Meinung teilt. In diesem Fall: Let’s agree to disagree 🙂

So… also los.

Eins vorneweg: Ich liebe Fotografie und ich liebe Podcasts.

Darum begann ich auch schon früh eine Liste von Podcasts zu pflegen in denen es um die Fotografie in all ihren Facetten geht. (Neugierig? https://fotopodcasts.de – hier im Fediverse und hier als RSS Feed )

Da gibt es wirklich so einige – 152 sind es zum Zeitpunkt dieses Blogposts.

Was es aber leider weniger gibt ist echte Vielfalt.

15 Podcasts in der Liste beispielsweise sind wenig mehr als ein Fotostammtisch mit 2-3 Männern. Thematisch geht’s da immer um das Gleiche: Welche Kamera ist gerade „der heiße Scheiß“? Welches Equipment kaufen wir uns? Welche Fotos haben wir gerade gemacht? Die etwas professionelleren Formate dieses Genres hangeln sich dann vielleicht noch an der aktuellen Nachrichtenlage oder einem vorher abgesprochenen Format entlang. Alle anderen labern einfach mal so drauf los und 100% dieser Formate sind männlich.

Überhaupt kommen Frauen so gut wie gar nicht vor. Von wenigen Ausnahmen abgesehen ist die gesamte deutsche Podcastbubble männlich. Das geht so weit, dass der einzige deutschsprachige Leica-Podcast etwa eine Frau pro 30 Episoden einlädt, als ob es im Ernst nur männliche Leica-Fans gäbe.

Aber zurück zu den Formaten: Neben den Männer-Technik-Gesprächsrunden gibt es noch ein zweites weitverbreitetes Themenfeld – Der Fotografie-als-Business-Podcast. Nicht, dass solche Formate nicht ihre Berechtigung hätten, aber die Fantasielosigkeit mit der da die Themen aufeinander folgen ist schon bemerkenswert. Es ist als würden die alle voneinander und vor allem auch von den thematisch verwandten YouTube-Formaten abschreiben. Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel, aber im Grunde kann man nichts falsch machen wenn man von den über 40 „Mann redet darüber wie man erfolgreich im ‚Business Fotografie‘ ist“ einfach nur nach Stimme auswählt.

Die dritte Kategorie Podcasts sind dann die monologischen „Fotografie als Inspiration“ Sendungen. Denen gestehe ich zumindest noch zu, dass sie wenigstens versuchen dem Thema eine philosophische Dimension abzugewinnen. Mit der Ausnahme von vielleicht zweien bleibt es aber leider dann doch meist bei eher oberflächlicher Nabelschau des jeweiligen Hosts…

Ihr merkt schon, ich bin frustriert, denn die Fotografie gäbe thematisch so viel mehr her als man zur Zeit findet. Hier ein paar Beispiele für Sendungen, die fehlen:

• Ein Jugend-Foto-Podcast
  Junge Menschen fotografieren anders, im Ernst. Das liegt nicht nur daran, dass sie in einer Welt mit Instagram aufgewachsen sind sondern auch daran, dass sie sich in einer Wirklichkeit bewegen die uns alten Säcken (=Männer jenseits der 30 und damit 90% der Fotopodcast-Hosts) einfach mal fremd ist. Dasselbe gilt für…
• Fotofeminist:innen
  Die Geschichte der Fotografie war unter anderem geprägt von Frauenfiguren, die die Macht der Bilder als erzählerisches Werkzeug, aber auch das Fotobusiness als eine echte Karriereoption vor und hinter der Kamera nutzten. Knapp die Hälfte der Fotostudiengänge sind weiblich besetzt, 90% der Stimmen in Podcasts sind aber männlich. Ähnliches gilt für das Personal, das Preise vergibt oder als YouTuber sichtbar wird… Ich finde, das sollte uns zu denken geben und ich kenne keinen Podcast der sich diesem Themenfeld annähme.
• Besondere Fotogenres
  Schon mal von Sternenkindfotografie gehört? Wie sieht es mit Menschen aus, die für die Forschung fotografieren? In-Game-Fotografie? (jaja, ich weiß…)
• Die Zukunft der Fotografie
  Jaja, im Augenblick reden alle über die Auswirkung der AI auf die Fotografie. Aber das ist auch schon wieder eine Diskussion die passiert NACHDEM ein Trend auftaucht, keine Überlegung die in die Zukunft weist. Wo sind die Podcasts, die sich fragen wohin das alles führt und dafür spannende Gesprächspartner:innen finden? Mir fällt nur ein Podcast ein, der thematisch gelegentlich andockt, aber das ist für ein Thema, das buchstäblich unsere Welt verändert wie kein zweites eigentlich sehr wenig, oder?
• Visual Storytelling – Comic, Gaming, Cinematografie
  Jedes mal wenn ein Fan der „Street Photography“ behauptet Fotografien wären dann gut wenn sie „Geschichten erzählten“ will ich meine Augen so weit verdrehen, dass man nur noch das Weiße sehen kann.
  Storytelling mit Einzelbildern ist wirklich schwer, manche (ich z.B.) würden sogar leidenschaftlich debattieren ob es nicht rundheraus unmöglich ist. Umgekehrt gibt es aber visuelle Medien, die ganz unzweifelhaft dem visuellen Storytelling dienen und die finden in unseren Fotopodcasts praktisch gar nicht statt obwohl ja so viele Podcaster betonen wie wichtig ihnen Storytelling wäre. Dabei wäre es wirklich lehrreich zu diskutieren welche Elemente besonders wirkmächtig sind. Und ja, auch in Audio kann man Gestaltung diskutieren.
• Fotogeschichte
  Ich habe gerade meinen eigenen Fotopodcast eingestellt, einfach weil ich seit Monaten keine Lust und Zeit gefunden habe weiter daran zu arbeiten. Mein Thema war die Geschichte des Mediums anhand der Menschen vor, hinter und neben der Kamera. 89 Folgen trug mich das Thema und man könnte tausende Folgen produzieren ohne dass Themen ausgehen. Aber trotzdem war mein Podcast der einzige der sich mit Fotogeschichte befasste und jetzt gibt es hier wieder eine Lücke.

War das schon alles? Nein. Ich könnte hier seitenweise weiter machen. Mein Punkt: Es gibt 152 Fotopodcast auf fotopodcasts.de. Wie schön wäre es wenn die nicht alle dieselben Felder beackerten. Aber es gibt auch positive Ausnahmen. Hier daher als abrundendes Ende dieses Beitrags eine Liste meiner (unvollständigen) Fotopodcastempfehlungen:

• Fotografie neu denken
  Ein Podcast der sich zur Aufgabe gemacht hat über die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung der Fotografie zu sprechen. Andy lädt dazu ein sehr breites Spektrum faszinierender Menschen und vielfältige Stimmen ein.
• Einfach Jule
  Hier ist nicht nur eine weibliche Stimme zu hören sondern es geht eben nicht nur um ein einziges Medium. Jule ist Buchbinderin und Fotografin und spricht mit vielen Gäst:innen aus einem sehr breiten Feld.
• Female Photoclub
  Hier handelt es sich um einen der Podcasts von kwerfeldein, einem online Fotomagazin. Ich schätze den Podcast dafür, dass hier regelmäßig Frauen zu Wort kommen und aus ihrem Alltag als professionelle Künstlerinnen, Fotografinnen oder sonstigen Geschäftsfeldern die zum Thema passen berichten.
• Happy Shooting
  Happy Shooting ist nicht nur der älteste deutschsprachige Fotopodcast, ich würde auch sagen es ist der ausgereifteste Vertreter der Kategorie „Fotonews & Fototechnik sympathisch aufbereitet“.
• dieMotive
  Wer einen Blick in die kulturelle Fotoszene schätzt und dabei von Kurator:innen, Autor:innen, Kritiker:innen, Lehrende, Fotoredakteur:innen, Galerist:innen hören möchte ist hier richtig.
• Zwischen Blende und Zeit
  Hier handelt es sich um den Podcast der Fotocommunity. Falk und Lars sprechen in diesem Format über ein sehr weites thematisches Spektrum und gerade weil die beiden so unterschiedlich auf die verschiedensten Themen blicken (Falk eher gefühlig aus Perspektive eines Coaches und Lars deutlich technischer) ergeben sich oft sehr spannende Unterhaltungen. Die Gespräche selbst sind zwar improvisiert, trotzdem merkt man eine gewisse Vorbereitung und die inhaltliche Dichte ist vergleichsweise hoch.
• Gate7 – Fernweg und Fotografie
  Eigentlich geht es in diesem Podcast gleich um eine ganze Reihe Themen aber im Grunde würde ich ihn als Business-Podcast einschätzen. Allerdings sind sowohl die Gesprächspartner:innen als auch die Qualität der Episoden allgemein so hoch, dass man auch dann mit Gewinn zuhört wenn man sich einfach nur für die fotografische Seite des Themas begeistert.

Bild: DALL-E2