Ich liebe das Fediverse.
Die Idee eines dezentralen sozialen Netzwerks mit spezialisierten, aber verbundenen Diensten und gemeinsamer Verwaltung ist großartig; die Abwesenheit von Werbung und algorithmer Bevormundung wirkt befreiend. Seit 2018 bin ich dort aktiv – nur auf Twitter war ich länger unterwegs (2010–2023).
Trotzdem überlege ich derzeit ernsthaft, meine Accounts zu schließen und es einfach sein zu lassen.
Der Anlass (oder der Tropfen, der das Fass vielleicht zum Überlaufen bringt) ist eine Moderationsentscheidung auf photog.social. Dort hatte ich 2022 ein neues Zuhause für meinen Fotomenschen-Account eingerichtet und lebe meine Fotoleidenschaft aus. Vor kurzem gab es dort einen Moderatorenwechsel, und mit diesem Wechsel wurden Anpassungen vorgenommen. Diejenige, die mir am meisten aufstößt, ist die Entscheidung, mastodon.social auszublenden. Konkret bedeutet das: In den öffentlichen Timelines oder unter Hashtags auf photog.social tauchen keine Accounts von mastodon.social mehr auf. Das Argument des Moderatorenteams: Auf mastodon.social gäbe es zu viel Hatespeech und Spam, und man müsse die Community, insbesondere Minderheiten, davor schützen.
Oh my.
Ich selbst bin ein weißer cis Mann, lebe in einem westlichen Land, habe ein verhältnismäßig sicheres Einkommen und bin bei guter Gesundheit. Sprich: Ich bin privilegiert bis über beide Ohren und kann nur begrenzt einschätzen, welchen Schutz besagte Minderheiten wirklich brauchen.
Eines aber weiß ich mit Sicherheit: Der Großteil der Leute auf mastodon.social sind friedliche Fedizens. Da mastodon.social das Netzwerk ist, dem sich viele – besonders Newcomer – anschließen, ist es auch die Heimat vieler Fotobegeisterter und eine Quelle bereichernder Interaktionen. Man kann also mit Sicherheit sagen, dass ein nennenswerter Teil der mastodon.social-Fedizens sogar zu jenen Minderheiten gehört, die das photog.social-Team vorgibt, schützen zu wollen.
Das Ausblenden dieses Servers ist nichts anderes als das Stummschalten eines beträchtlichen Teils der Community. Konnte man zuvor Accounts dort entdecken, indem man gezielt Hashtags verfolgte oder in der föderierten Timeline stöberte, ist genau das für Mitglieder von photog.social plötzlich nicht mehr möglich. Doch genau solche Taktiken sind in der Fotocommunity des Fediverse üblich: Hashtags wie FensterFreitag, MountainMonday oder FotoVorschlag dienen dazu, andere Fotograf:innen zu finden und sich mit ihnen zu vernetzen. All das geht nun nicht mehr von photog.social aus.
Doch selbst wenn man das in Kauf nehmen wollte, gibt es einen weiteren Punkt, der mich an dieser Moderationsentscheidung aufregt: die himmelschreiende, paternalistische Bevormundung. Das Moderatorenteam behauptet schlicht, besser zu wissen als die Nutzer:innen ihres Servers, welche Inhalte durch die öffentlichen Feeds laufen sollen. Was für eine Anmaßung! Vor direkten Angriffen war man auch bisher nicht gefeit – doch wenn ich als Nutzer bewusst ins globale Fediverse eintauchen will, entscheidet plötzlich ein Team, das für eine gesamte Instanzcommunity, die es nicht gefragt hat, den Großteil der Metacommunity stummschaltet, der diese Community ja ebenfalls angehört.
Mit anderen Worten: Wer wie ich klassische Social Media verlassen hat, um der Bevormundung durch Algorithmen zu entgehen, wird nun von einem Moderatorenteam bevormundet. Und in der Diskussion tun die Verantwortlichen so, als wäre das nur zu unser aller Bestem – wer darauf hinweist, dass diese Filterung zu weit geht, macht sich praktisch schuldig, Minderheiten Schutz zu verwehren.
Tatsächlich offenbart diese Entwicklung eine grundsätzliche Schwäche des Fediverse: Entweder man schließt sich einer der großen Instanzen an, oder – wenn man das tut, was eigentlich zu den Stärken des Ansatzes zählt, nämlich sich einer spezialisierten Community anzuschließen – liefert man sich den möglicherweise umschwenkenden Entscheidungen eines Moderatorenteams aus. Ich möchte eigentlich nicht auf mastodon.social sein – ich bin dorthin gewechselt, weil ich die Entscheidungen des Moderatorenteams auf chaos.social nicht mehr mittragen konnte. Und jetzt stelle ich fest, dass es mir auf photog.social genauso geht. Nach drei Jahren Mitgliedschaft steht dieselbe Frage im Raum.
„Hoste doch selbst“, wirft gelegentlich jemand ein. Ja, klar. Man könnte. Aber ich will nicht – und es ist auch nicht wirklich realistisch.
„Zieh einfach weiter“, raten andere. Das habe ich bisher auch so gehandhabt, immerhin geht das ja. Letztlich passiert dann aber genau das, was eigentlich nicht im Sinne des Fediverse ist: eine Konzentration auf wenige, große Instanzen – mit allen damit verbundenen Nachteilen.
Ich glaube, ich komme allmählich an einen ganz anderen Punkt. Die Versuchung wächst, das Kapitel einfach zu schließen und vielleicht eine Weile ganz auf Social Media zu verzichten. Es ist ja nicht so, dass mein Leben leer wäre, wenn ich mich nicht über Leute ärgere, die ich gar nicht kenne.
@Dirk
Ich bin noch nicht so lange dabei. Ich kann aber jeden deiner Punkte verstehen.
Nur beim Punkt "es werden sich dann viele auf wenige Instanzen konzentrieren" hoffe ich aufs Gegenteil: vielleicht zieht jemand einen neuen Server auf, auf den eingehe umziehen – sicher nicht alle, aber vielleicht ein paar?
Die Hoffnung stirbt zuletzt
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@Dirk @tux Mir ist Mastodon.social noch nicht negativ aufgefallen, wie kommen die Mods darauf?
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@crossgolf_rebel @tux @Dirk In jedem Fall würde ich deshalb nicht das Fediverse kicken, sondern mir einfach eine andere Instanz suchen.
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@DrkPrmbs
Die Idee einer Hauptinstanz finde ich schon zweifelhaft und die eigene Erfahrung ist bei der Vielzahl an Instanzen, gerade wenn wir das gesamte Spektrum (Mastodon, Hubzilla, (streams), Friendica, Akkoma, Glitch+, diaspora*, Lemmy, Pixelfed, pleroma, peertube…) anschauen, eher kein Argument, es sei denn du hattest 800 Accounts.
@crossgolf_rebel @tux @Dirk
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@DrkPrmbs @crossgolf_rebel @tux @Dirk Wenn aber in diesem Fall wirklich der Grund ist, diese Menschen zu schützen, ist es dann nicht eher positiv?
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@DrkPrmbs @crossgolf_rebel @tux @Dirk Über 1) solltest du in Ruhe nachdenken.
@DrkPrmbs Ich habe gehört, auf Twitter/X muss man sich nicht so sehr um die vulnerablen Gruppen sorgen. Vielleicht eine lohnenswerte Alternative.
@crossgolf_rebel @tux @Dirk
@gedanke @Dirk @tux we 'come up with it' by having ran and moderated instances with marginalised people on them (I own mastodon.art) for the past several years and dealt with the reports. Mastoson.social is a huge vector for harassment of marginalised people on the fediverse.
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@tux @Dirk @gedanke Auf Mastodon lassen sich auch User, Instanzen und ganze Server blocken. Je nach Client und Instanz dann entweder für immer oder zeitgesteuert.
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@Dirk
Es gibt nur wenige Gründe einen entfernten Server zu sperren oder zu stumm zu schalten. Das ist immer das letzte Mittel.
Spam ist ärgerlich und produziert viel Arbeit. Das ist nun mal die Arbeit der Moderatoren dort gute Arbeit zu liefern, eben damit du weiterhin mit allen im Fediverse in Verbindung stehen kannst.
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@Dirk @feb Zumal es Spamfilterlisten gibt die eingepflegt werden können. mastodon.social ist nicht dafür bekannt eine Spamschleuder zu sein, die Moderatoren leisten gute Arbeit. Diese Instanz gehört mit zu den größten im Mastodon-Nebel aus Eingangs genannten Gründen. Dazu kamen zwei #eXit-Wellen und #unis4mastodon . Die Moderatoren sind selbst nicht so begeistert darüber, doch die Instanz gleich zu sperren ist #Zensur. Und was ich in den Timelines sehen will entscheide ich und keine #Moderatoren. Oder kam die Anweisung vom Betreiber der Fediverse-Instanz?
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@franky @Dirk
Im allgemeinen sind die eindeutigen Spam-Konten bei den meisten Nodes im Fediverse schnell gelöscht. Von Diaspora kommen derzeit ebenso viele Nachrichten dieser Art an, wie aus dem AP-Netz. Das würde mich jedoch nicht auf die Idee bringen, wegen einiger weniger Accounts, den Kontakt zu allen Nutzenden auf diesen Pods zu blockieren.
Ebenso sehe ich das mit Menschen, denen Respekt und Anstand unbekannt ist. Das Problem solcher Accounts löst du nicht durch das deföderieren ganzer Server. Das muss immer eine Einzelbetrachtung bleiben. Anders sieht das natürlich aus, wenn ein Server nur für das eine Ziel eingerichtet und betrieben wird.
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@feb
Ganz genau so sieht das aus. Bisher hatte ich nicht die Notwendigkeit gesehen ganze Server zu blockieren. Solange wie ich jetzt im Fediverse unterwegs bin, von Mastodon über Friendica bis hin zu Pixelfed und Lemmy, gab es immer nur User die den Weg in die Liste gefunden haben aus den von Dir genannten Gründen. Was Server betraf die nur für Spam oder Hetze eingerichtet wurden, haben die Moderatoren und Betreiber recht schnell reagiert.
@Dirk
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@Dirk Ich kann dein Problem gut verstehen. Erfreulicherweis hatte ich das noch nicht. Ich finde es im Fedivers aber beruhigend, dass ich zur Not auf einen selbst- oder fremdgehosteten Server umziehen könnte. Mehr Unabhängigkeit geht dann kaum.
Das wird dir nicht helfen, da du diese Optionen nicht nutzen möchtest. Ich hoffe, du findest eine Instanz, die dir besser zusagt.
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@eris2cats Als beruflicher Admin widerspreche ich dem ersten vehement. Admins sind ebenso kompetent oder inkompetent, weit- oder kurzsichtig wie jeder andere Mensch. Ich bin schon einer Menge totaler Nullen unter meinen Kollegen begegnet. Man gewinnt außerdem nicht Durchblick automagisch und qua Amt.
Und das zweite, kurz gesagt, IST paternalistisch.
@Dirk @DrkPrmbs
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@eris2cats Du unterstellst mir also, die Möglichkeiten und Grenzen meines Fachgebiets nicht zu kennen?
Das halte ich für gewagt. Aber lass gut sein: Das war nicht der Punkt. Der Punkt ist der angesprochene Paternalismus und die Überheblichkeit, für andere bestimmen zu wollen, was gut für sie ist – wie auch im Artikel thematisiert.
Und damit bin ich draußen.
@Dirk @DrkPrmbs
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@fotomenschen https://mastodon.art/@Curator/115037508660896651 this is for you, buddy. It's not me you've been dealing with from Ambassador, but it's theirs and my collective experience in managing communities – in my case, something I've been doing for 20+ years and something we've both been doing as marginalised people and *for* marginalised people for a very long time. If you don't want to be patronised, maybe don't laud your white cis male privilege over that of people FAR more vulnerable online in ways you will –
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@fotomenschen – never experience. As a white cis male, you're just not that important and you're certainly not the demograohic that *anyone* should be protecting the safety of online.
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@Dirk
Wäre eine Pixelfed Instanz vielleicht eine Option?
Mehr Fotos, weniger Text und Diskussionen, wie ich es hier lese?
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@Dirk uff! Hab das nicht wirklich mitbekommen. Den Mod/Admin Wechsel ja, das blocking nicht. Bin aktuell auch zu wenig hier und sehr sehr selektiv in meiner Wahrnehmung anderer. ZB folge ich keinen Hashtags. Mein Leben ist voll genug.
Und ich gebe dir 100%ig recht – so ist das saudoof. Es fehlt eine Kontrollinstanz zu den Mod/Admins. Bisschen Basisdemokratie.
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@shashindo @Dirk Ging mir ebenso. Erst durch deinen Text, Dirk, habe ich das Stummschalten von mastodon.social mitbekommen. Ich will/kann jetzt gar nicht die Tatsache an sich beurteilen (obwohl ich die neg. Auswirkungen bedauere), aber die Kommunikation der neuen Admins finde ich nicht gut. Andeutungen statt klare Aussagen. 🙄
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@eris2cats @Dirk @DrkPrmbs Verallgemeinerung ist nie ein guter weg.
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@Dirk ganz ehrlich: ich finde diese Bevormundung durch Administratoren, solange es nicht um strafrechtlich Relevante Inhalte geht, total daneben. Vor allem da die User es doch selber bestimmen könne ob Sie eine Instanz muten. Und die Konversation mit dem Mod von mastodon.art (oder wer immer das auch war) hatte für so den Vibe ala: weisser previligierter CIS Mann halt die Klappe.
Wenn das auf Photog genauso abgeht dann wäre das keine Instanz auf der ich zuhause sein möchte.
Naja ich hoffe du hängst das Fediverse nicht an den Nagel und findest ein neuen besseres Zuhause.
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Ich glaube es kommen mehrere Sachen hier zusammen: Es gibt eine gewisse Sprachbarriere (große Teile der Diskussion sind hier ja in Deutsch was nicht die Muttersprache der Admins sein dürfte) und sicherlich glauben die sich auf der richtigen Seite. photog.social ist bisher eher ruhig, viele bemerken die Änderung ja auch gar nicht weil sie nicht wie icht gezielt in Hashtags nach Inhalten scouten. Der Account der vielleicht noch den deutlichsten Unterschied bemerken dürfte ist @FotoVorschlag, aber wie sehr das ins Gewicht fällt ist unterschiedlich. In meinem Fall kommt noch hinzu, dass ich mich als Fedi-Veteran sehe und finde solche Pauschalfilter sind ganz generell Gift für die Idee des Fediverse als „besseres“ Social Net. Im Grunde kommt da auch meine Hauptargumentation her (neben dem Gefühl als langjähriges aktives Community Mitglied vielleicht mal einbezogen werden zu wollen).
@Dirk @FotoVorschlag
dir alles gute.
ich hatte bislang mit meinem troet cafe echt Glück.
bin aber auch kein Vetaran
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@Dirk
Ja, ich habe auch Probleme mit dieser Entscheidung und der Art, wie sich diese Instanz entwickeln soll.
Wozu photog.social mehr "gay" werden muss – ausser zur Freude der Moderatoren – erschliesst sich mir nicht
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Ich hatte bisher immer die Annahme, dass „mehr gay“ eigentlich automatisch mehr Respekt allen gegenüber zur Folge hätte. Ist leider im vorliegenden Fall scheinbar nicht so.
Ansonsten habe ich mich auch darüber gewundert, dass DAS die persönliche Vorstellung der neuen Moderatoren ist nachdem sie eine Fotografie-Community übernommen haben. Fühlt sich nach einer Schwerpunktsetzung an und hat erstmal nichts mit dem bisherigen Fokus der Instanz zu tun. Aber hey, deren Server, deren Schwerpunkt.