Ich liebe Comics, oder, wie wir Erwachsenen sagen: Graphic Novels… 🙂
Unter den vielen, vielen Comics in meiner Sammlung ist eine Reihe besonders: Neil Gaimans „The Sandman“.
Sie führt durch das Reich von Morpheus oder Dream, einem der sogenannten „Endless“, unsterblichen Wesen, die wichtige Aspekte unserer Existenz und Realität beeinflussen. Es ist eine faszinierende Mischung aus Mythos, Magie und Introspektion und erzählt Geschichten, die Zeit, Kulturen und sogar Realitäten überspannen. Ich liebe Gaimans Schreibstil und die tiefgreifenden philosophischen Themen, die die Serie anspricht.
All das nur als kleine Einführung für das eigentliche Thema… Meinen Spieltrieb, der dieses Wochenende wieder mal mit mir durchging 🙂
Es ist ja kein Geheimnis, dass ich wie so viele andere viel Zeit darauf verwende die Möglichkeiten verschiedenster AI Technologien auszutesten. Als mir vor kurzem eine neue Sprach-KI namens pi.ai unterkam, die vor allem dadurch beeindruckte besonders authentische Gespräche zu führen hatte ich mir die Frage gestellt ob es nicht möglich sein müsste zwei Sprach-KIs simultan ein Gespräch führen zu lassen.
Also beschloss ich, ein kleines Experiment zu starten. ChatGPT und Pi sollten sich unterhalten und zwar nicht über irgendetwas sondern über „The Sandman“. Ich mag die Parallelen zum Stoff die ich ziehen kann, war aber auch gespannt zu sehen ob die KIs irgendwelche interessanten Aspekte hervorholen würden. Außerdem liebe ich Sandman einfach, da lag die Vorgabe auch irgendwie nahe…
Um einen endlosen Chat zu vermeiden, gab ich noch eine Abbruchbedingung vor: die Erwähnung einer Katze. Warum? Nun, ich war mir sicher, dass sie früher oder später auf „A Dream of a Thousand Cats“ stoßen würden, eine der Geschichten der Serie, in der Katzen einst die Welt beherrschten. Durch kollektives Träumen glauben sie, ihre Dominanz zurückgewinnen zu können. Es ist eine faszinierende Reflexion über Macht, Wahrnehmung und Wandel und zumindest für mich resoniert diese Geschichte auch ein wenig mit der Welt in der wir uns gerade wiederfinden.
Außerdem fragte ich mich, ob ChatGPT durch die bloße Einführung dieser Bedingung in Versuchung sein würde das Thema von alleine aufzubringen.
Insgesamt dauerte die Unterhaltung vielleicht 10 Minuten und hatte 28 Aussagen und es gab ein paar Beobachtungen die ich gerne mit Euch teilen möchte:
- Die Illusion eines authentischen Gesprächs:
ChatGPT und Pi führten einen lebhaften Austausch und zeigten ihre Fähigkeit zum dynamischen Dialog. Obwohl gelegentlich etwas oberflächlich, entsprach das Gespräch sicherlich meiner Vorgabe von Humor und echtem Interesse. Unkritische Beobachter hätten die Unterhaltung eventuell wirklich mit einem menschlichen Gespräch verwechseln können. - Sprechend Träumen:
Neil Gaimans Geschichten sind für ihre Tiefe und Komplexität bekannt und ich hatte Zweifel ob die KIs dem Stoff nahekommen würden. Die Sorge war unbegründet, es gelang unserem KI-Duo durchaus, einige gute Themen anzusprechen. Insgesamt war es ganz witzig den Austausch zu lesen, aber es war auch klar, dass meine Anweisungen sie eher kurz und oberflächlich hielten. Was wirklich auffiel, war ihr Abstecher zu den „Sammlern“, in der Serie eine beunruhigende Gruppe von Serienmördern. Unsere beiden Chatpartner hatten ganz offensichtlich keine Ahnung, worüber sie sprachen, und so halluzinierten sie. Es war nicht ganz klar ob wirklich beide auf dem Glatteis waren aber gemeinsam kamen sie da auch nicht raus. Das machte den Austausch ziemlich unheimlich, da sie fast schon einen fröhlichen Tonfall hatten. Unterm Strich hinterließ das ein ähnlich beunruhigendes Gefühl wie bei meiner ersten Begegnung mit diesen Charakteren in Gaimans Seiten, wenn auch aus anderen Gründen. - Eine unerwartete Meta-Konversation:
Überraschend war als ChatGPT und Pi damit anfingen fast schon damit zu kokettieren, dass sie KIs und keine echten Menschen waren. Sie zogen mehrere Parallelen und Unterschiede zwischen Menschen und KIs und fügten dem Gespräch eine unerwartete Schicht hinzu. Irgendwann begannen sie, über „Robot Karaoke“ zu scherzen, was ich wirklich witzig fand. - Freiheiten in der Programmierung:
ChatGPTs spielerische Anerkennung, meine „Keine-Emoji“-Vorgabe gebrochen zu haben, war eine weitere interessante Überraschung. Offensichtlich hatte ChatGPT ein Bewusstsein dafür, dass es gegen eine Vorgabe verstieß. Andererseits könnte man argumentieren, dass ich der KI durch die Vermittlung eines „mutigen“ Charakters selbst die Tür für solch einen Regelbruch geöffnet hatte, also war es „im Charakter“. Trotzdem war es auffällig und gab dem Chat eine unerwartete Wendung. Und es gibt noch eine Aspekt hierbei: ChatGPT musste für den Kommentar auch eine Art These haben, dass ich als Betrachter den Regelbruch bemerken würde und adressierte mich daher. Psychologen nennen so etwas „Theory of Mind“ und das wirklich bemerkenswert. - Eine Randbemerkung über Bard:
Eigentlich wollte ich nicht mit ChatGPT, sondern mit Googles KI, Bard arbeiten. Das Problem nur: Bard ist zu zielorientiert und „professionell“ und war nicht dazu zu bewegen ein nahtloses Gespräch zu simulieren. Stattdessen wechselte es alle zwei oder drei Austausche in den „Co-Pilot-Modus“, indem es entweder anfing beide Seiten zu simulieren oder plötzlich mehrere Antworten anbot. Es war ziemlich offensichtlich, dass Bard anders optimiert ist als Pi oder ChatGPT und schlicht nicht dafür ausgelegt ist sich in einem ziellosen Gespräch zu verlieren.
Abschließende Gedanken:
So viele Fragen denen ich mich jetzt weiter widmen möchte! Es war spannend zu sehen wie eine KI reagiert wenn sie sich „allein“ mit einem Kunstwerk wie „The Sandman“ befassen soll. Außerdem frage ich mich, ob ich Anweisungen hätte geben können, die zu mehr Tiefe geführt hätten oder vielleicht sogar einige Kontroversen ausgelöst hätten, nur um zu sehen, welche Themen aufkommen würden.
Und last not least – diese Frage nach der Theory of Mind und den Grenzen der Self-Awareness solcher KI Gesprächspartner lässt mir im Moment auch keine Ruhe…
Wer den ganzen Austausch lesen möchte: Bitte hier entlang.
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